Bekämpfungsschwellen (IPS Teil 2)
Mit der Novellierung des Pflanzenschutzgesetzes erfolgte eine Anpassung der nationalen Gesetzgebung an geltendes EU-Recht. Danach darf Pflanzenschutz nur nach guter fachlicher Praxis (GfP) durchgeführt werden (§3 Abs.1PflSchG 06.02.2012). Die GfP beinhaltet 8 Grundsätze des IPS, die alle Anwender von Pflanzenschutzmitteln seit 1.1.2014 anzuwenden haben.
Nach dem 8. Grundsatz des IPS muss die Behandlungsentscheidung auf Grundlage der Ergebnisse der Überwachung gefällt werden, Stichwort Bekämpfungsschwellen. Die Bekämpfungsschwellen, oft auch noch althergebracht als „Schadschwellen“ betitelt, erfahren in der Praxis eine unterschiedliche Akzeptanz.
Eine Ursache dafür ist, dass die Zeiten sich schlicht weg geändert haben. Es hat eine Weiterentwicklung in vielerlei Hinsicht gegeben. Die Bekämpfungsschwellen aber stammen zum großen Teil noch aus Anfangszeiten des IPS, als einerseits Resistenzen kaum vorkamen und andererseits die Verfügbarkeit von Pflanzenschutzmitteln eine Nutzung der Bekämpfungsschwellen auch noch zuließ.
Bestes Beispiel dafür sind, Bekämpfungsschwellen aus dem Bereich der Unkräuter und Ungräser. Während wohl keiner ein Problem mit der Schwelle für Klettenlabkraut im Wintergetreide (0,1 Pfl./m2) hat, sträuben sich bei einer Bekämpfungsschwelle für Ackerfuchsschwanz im Wintergetreide (15-30 Pfl./m2) wohl jedem die Haare. Sichtbare Ackerfuchsschwanzpflanzen bedeuten Einsätze von Blattherbiziden und diese sind inzwischen starken Resistenzentwicklungen unterworfen. Zusätzlich steigt mit Anzahl der Ackerfuchsschwanzpflanzen auch die Wahrscheinlichkeit, dass sich unter denen einige befinden, die eine Resistenz von Natur aus Inne haben. Die Einsatzhäufigkeit der nachfolgenden Blattherbizide entscheidet dann unter anderem über die Geschwindigkeit der Resistenzentwicklung. Kurz um, das Ackerfuchsschwanzproblem muss durch pflanzenbauliche Maßnahmen und den Einsatz von Bodenherbiziden so weit wie möglich vorher gelöst werden. Auf 15-30 Pfl./m2 zu warten und dann erst ein Herbizid einsetzen, ist nicht erstrebenswert.
Im Bereich der Insektizide fallen einem sofort die Bekämpfungsschwellen beim Rapsglanzkäfer ein. Auch hier hat eine Entwicklung in vielerlei Hinsicht stattgefunden. Allerdings erfolgte hier eine Anpassung der Schwellen. Wohl jeder kann sich noch an die Jahre 2005 und 2006 erinnern, die auf der einen Seite ausgesprochene Rapsglanzkäferjahre waren und wo andererseits Pyrethroide der Klasse II, wie Karate Zeon, Bulldock usw., mit einem Schlag ihre Wirksamkeit verloren. Seitdem liegt der Fokus in der Wahrnehmung speziell bei diesem Schädling. „Alles schwarz“ ist die häufige Antwort auf die Frage, wie viele Käfer sich denn auf den Knospen befinden. Aktives Zählen der Käfer pro Knospe zählt nicht unbedingt zu den „Lieblingstätigkeiten“. Allerdings lohnt sich der Aufwand, denn gleichzeitig führten Beerntungsversuche zu dem Ergebnis, dass der Befall von Rapsglanzkäfern in der Vergangenheit häufig überschätzt wurde. Das heißt, die Rapspflanzen können einen gewissen Teil von Käfern tolerieren, ohne mit ertraglichen Einbußen zu reagieren. Der Zustand des Rapses, die Stetigkeit des Zuflugs und die Folgewitterung spielen eine entscheidende Rolle. Folglich wurden die Bekämpfungsschwellen angepasst.
Ein weiteres Beispiel aus dem Bereich der Rapsschädlinge ist der Rapserdfloh. Dieser kann mit Gelbschalen überwacht werden. Aktuell jetzt, nach der Rapsaussaat sollten diese, leicht eingegraben, auf dem Acker stehen und den Zuflug des Rapserdflohs überwachen. Wie sieht die Praxis aus? Die Akzeptanz der Gelbschale ist ebenfalls sehr unterschiedlich. Von „sehr akribisch“ bis hin zu „ignorant“ ist wohl alles vertreten. Am Preis der Gelbschale kann es nicht liegen, diese sind kostenlos. Oder vielleicht gerade deshalb? Vielleicht ist das, was nichts kostet, nichts wert? Vielleicht wird auch generell der Aufwand für die Kontrolle als zu hoch eingeschätzt. Auffällig ist, dass mit Zunahme der Digitalisierung die Kontrolle auf dem eigenen Acker abnimmt. Es gibt aber noch nicht für alle Dinge die passende App. Mit Sicherheit wird es in geraumer Zeit auch eine digitale Gelbschale geben, aber bis dahin sind Bestandskontrollen angesagt, um daraus die Behandlungsentscheidung abzuleiten. Und dafür ist die Gelbschale ein profanes Mittel, das zur Überwachung von beispielsweise Rapserdfloh, Großem Rapsstängelrüssler und Gefleckten Kohltriebrüssler konsequent genutzt werden muss.
Diese in Kürze aufgeführten Beispiele zeigen sehr deutlich, dass das Feld der Bekämpfungsschwellen sehr weitläufig ist. Da sie größtenteils aus den Anfangszeiten des IPS sind, bedürfen sie einer Anpassung an neue Gegebenheiten. Andererseits muss auch an die Praxis appelliert werden, diese auch zu nutzen, um Behandlungsentscheidungen zielgenauer zu treffen.
Manja Landschreiber, Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein
Lesen Sie hier die weiteren Fachbeiträge:
Teil 1- Aspekte des integrierten Pflanzenschutzes
Teil 2 - Bekämpfungsschwellen
Teil 3 - Mehr Erfolg mit erweiterten Fruchtfolgen
Teil 4 - Wie bekommt man Ungräser im Weizen in Griff?
Teil 5 - Exakte Ausbringung spart Pflanzenschutzmittel