Aspekte des Integrierten Pflanzenschutzes (Teil 1)
Der Integrierte Pflanzenschutz (IPS) ist jedem Landwirt ein Begriff, denkt man zumindest. Umso erstaunlicher die Ergebnisse einer Studie der Fachhochschule Südwestfalen, die Landwirte aus Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen zu der Umsetzung des Integrierten Pflanzenschutzes befragte. Danach konnten mehr als ein Drittel der Befragten den IPS nicht konkret einordnen. Hat der IPS tatsächlich keinen Einzug in die Praxis genommen oder sind viele Maßnahmen inzwischen schon so selbstverständlich, dass sie mit dem Begriff gar nicht mehr in Verbindung gebracht werden?
In der nachfolgende Artikelserie sollen einzelne Aspekte des IPS praktisch beleuchtet, Stärken aber auch Schwachstellen aufgezeigt werden. Dabei werden einzelne Instrumente des IPS dargestellt. Welche Rolle spielen Schaderregerbekämpfung und die Entwicklung von Resistenzen nach IPS heute? Ist der Begriff „Integrierter Pflanzenschutz“ noch zeitgemäß? Oder handelt es sich vielmehr um einen „Integrierten Pflanzenbau“?
Der Begriff „Integrierte Pflanzenschutz“ wurde 1975 von Prof. Dr. Rudolf Heitefuß definiert, nachdem es ab der 50iger Jahre zu einer zunehmenden Anwendung von Pflanzenschutzmitteln gekommen war. Seit 1986 ist der Integrierte Pflanzenschutz fester Bestandteil des Pflanzenschutzgesetzes und dort unverändert festgeschrieben.
Der „IPS“ ist eine Kombination von Verfahren, bei denen unter vorrangiger Berücksichtigung biologischer, biotechnischer, pflanzenzüchterischer sowie anbau- und kulturtechnischer Maßnahmen die Anwendung chemischer Pflanzenschutzmittel auf das notwendige Maß beschränkt wird. Also kurz gesagt, so viel wie nötig, aber so wenig wie möglich.
Was ist aber das „notwendige Maß“ und wer bestimmt das? Das „notwendige Maß“ ist die Intensität der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln, die notwendig ist, um den Anbau der Kulturpflanzen, besonders vor dem Hintergrund der Wirtschaftlichkeit zu sichern. Das heißt, hier kommt der Aspekt der Wirtschaftlichkeit zum Tragen. Der Landwirt muss in seinem Betrieb nachhaltig agieren, um mit seinen Erzeugnissen auf dem Weltmarkt bestehen und in letzter Konsequenz natürlich selbst davon leben zu können. Bei der Wahl des „notwendigen Maßes“ wird vorausgesetzt, dass alle praktikablen Möglichkeiten zur Abwehr und Bekämpfung von Schadorganismen ausgeschöpft und die Belange des Verbraucher- und Umweltschutzes sowie des Anwenderschutzes ausreichend berücksichtigt werden.
Mit der Novellierung des Pflanzenschutzgesetzes erfolgte eine Anpassung der nationalen Gesetzgebung an geltendes EU-Recht. Danach darf Pflanzenschutz nur nach guter fachlicher Praxis (GfP) durchgeführt werden (§3 Abs.1PflSchG 06.02.2012). Die GfP wiederrum beinhaltet 8 Grundsätze des IPS, die alle Anwender von Pflanzenschutzmitteln seit dem 1.1.2014 anzuwenden haben und die demnächst auch kontrolliert werden sollen.
Diese sind:
- Die Vorbeugung und/oder Bekämpfung von Schadorganismen sollte neben anderen Optionen insbesondere wie folgt erreicht oder unterstützt werden:
- Fruchtfolge
- Anwendung geeigneter Kultivierungsverfahren (Scheinbestellung, Aussaattermin, Untersaat, Konservierende Bodenbearbeitung, Direktsaat)
- Verwendung resistenter/toleranter Sorten, Verwendung von Zertifiziertem Saatgut
- Ausgewogene Dünge-, Kalkungs-, Bewässerungs- und Dränageverfahren
- Vorbeugung gegen die Ausbreitung von Schadorganismen durch Hygienemaßnahmen
- Schutz und Förderung wichtiger Nutzorganismen, z.B. durch Einsatz geeigneter PSM oder Anlage von Blühstreifen
- Nachhaltigen biologischen, physikalischen und anderen nichtchemischen Methoden ist der Vorzug zu geben, wenn sich mit ihnen ein zufriedenstellendes Ergebnis bei der Bekämpfung von Schädlingen erzielen lässt
- Die eingesetzten PSM müssen soweit zielartenspezifisch wie möglich sein und die geringsten Nebenwirkungen auf die menschliche Gesundheit, Nichtzielorganismen und die Umwelt haben
- Die Verwendung von PSM sollte auf das notwendige Maß begrenzt werden (Verringerung der Aufwandmenge und Anwendungshäufigkeit, Teilflächenbehandlung), wobei die Höhe des Risikos für die Vegetation akzeptabel sein muss und das Risiko der Entwicklung von Resistenzen nicht erhöht werden darf.
- Resistenzvermeidungsstrategien anwenden, um die Wirksamkeit der Produkte zu erhalten. Dazu kann die Verwendung von PSM unterschiedlicher Wirkungsweise gehören.
- Der Erfolg der Pflanzenschutzmaßnahme muss auf Grundlage der Aufzeichnungen und der Überwachung der Schadorganismen überprüft werden.
- Schadorganismen müssen mit geeigneten Methoden und Instrumenten überwacht werden (Prognosemodelle, Beratung)
- Auf der Grundlage der Ergebnisse der Überwachung muss die Behandlungsentscheidung gefällt werden (Bekämpfungsschwellen).
Bei genauerer Betrachtung der einzelnen Grundsätze wird schnell klar, dass einige Dinge selbstverständlich umgesetzt werden, bei anderen aber deutlich Nachholbedarf besteht. In nachfolgenden Fachartikeln wird auf einige Bereiche mit praktischen Beispielen eingegangen:
Teil 1- Aspekte des integrierten Pflanzenschutzes
Teil 2- Bekämpfungsschwellen
Teil 3 - Mehr Erfolg mit erweiterten Fruchtfolgen
Teil 4 - Wie bekommt man Ungräser im Weizen in Griff?
Teil 5 - Exakte Ausbringung spart Pflanzenschutzmittel