Viröse Vergilbung
von Nils Wynant (Projektleiter im Bereich Biotische Belastungen bei SESVANDERHAVE)
Welchen Beitrag leistet die Genetik?
Im Mai 2018 hat die Europäische Kommission ein Verbot von Neonicotinoiden (NNI) beschlossen, das seit dem 19. Dezember 2018 in Kraft ist. Wie kann die Genetik von SESVanderHave Landwirten helfen, die Auswirkungen der Vergilbungskrankheit zu begrenzen?
Welche Rolle spielten NNI?
Niels WYNANT: Auf mehr als 90 % der Anbaufläche von Zuckerrüben in Europa wurde mit Neonicotinoiden gebeiztes Saatgut ausgebracht. Dadurch war eine nahezu vollständige Kontrolle der Blattläuse als Überträger der Vergilbungsviren von Rübenfliege, Erdfloh und von unterirdischen Schädlingen (Drahtwurm, Schnake, Schnellkäfer, Moosknopfkäfer) möglich. Trotz dieser ausgedehnten Anwendung sind die genannten Schädlinge nicht verschwunden. Vor allem Blattläuse und die viröse Vergilbung bleiben eine Bedrohung.
Was sind die Folgen des Neonicotinoidverbots?
Niels WYNANT: TEPPEKI® (Flonicamid) ist für die Blattlausbekämpfung zugelassen. Es ist ein spezifisches Aphizid, das gegen alle Blattlausarten wirkt, nützliche Insekten verschont und ab dem 6-Blatt-Stadium angewendet werden kann. Eine Rückkehr zu wiederholten Blattbehandlungen auf Pyrethroidbasis ist ebenfalls möglich, aber diese Behandlungen sind im Zeitverlauf schwieriger umzusetzen und daher weniger verlässlich, was die Wirksamkeit anbelangt. Außerdem gibt es Blattläuse, die gegen die entsprechenden Wirkstoffe resistent sind. Nachteilig ist auch die Auswirkung von Insektizidspritzungen auf die übrige Fauna. Dies führt zu Ertragseinbußen je nach Häufigkeit bzw. Vorkommen der Schädlinge im Feld und ihrem Befallsgrad an der Pflanze.
Gibt es eine genetische Lösung?
Niels WYNANT: Neben den agronomischen Lösungen, die von der Branche eingesetzt werden, benötigen Züchter eine entsprechende Toleranz gegenüber den verschiedenen Vergilbungsviren und/ oder Vektorblattläusen. Solche Toleranzen sind jedoch noch nicht verfügbar. Die Vielfalt der in Europa vorkommenden Viren macht die Arbeit der Züchter komplex, denn jeder von ihnen benötigt eine entsprechende Toleranz. Darüber hinaus muss auch das Toleranzniveau beurteilt werden, das zur Bewältigung der Krankheit erforderlich ist. Die Züchtung von virus- toleranten Zuckerrüben stellt eine große Herausforderung für uns Züchter dar. Die Aufwendungen zur Selektion von solchen Zuckerrüben wurden in den letzten Jahren erheblich intensiviert.
Symptome
Je nach Infektionszeitpunkt können schon im Juni erste Symptome auftreten. Häufig findet man nesterweise vergilbte Pflanzen. Die Blattspreite zwischen den Blattadern beginnt zu vergilben, die Blätter verdicken sich und werden spröde. Meistens beginnt die Vergilbung von der Blattspitze her und breitet sich dann über das ganze Blatt aus.
Es geht um mehrere Viren
Zu beachten ist, dass es mehrere Arten von Vergilbung gibt:
Zum einen die nekrotische Vergilbung durch BYV (Beet Yellows Virus). Diese steht im Zusammenhang mit der Gattung der Closteroviren und ist gekennzeichnet durch eine zitronengelbe Färbung, die später zu kleinen rötlichen Nekrosen führen kann.
Für die Symptome der milden Vergilbung sind drei Virusarten der Gattung Polerovirus verantwortlich: das milde Rübenvergilbungsvirus (Beet Moderate Yellowing Virus, BMYV), das Westliche Rübenvergilbungsvirus (Beet Western Yellowing Virus, BWYV) und das Beet Chlorosis Virus (BChV). Bei der milden Vergilbung kommt es häufig zu einer Orangefärbung der Blätter, oft gefolgt von Schwächeparasiten (z. B. durch Alternaria) und vorzeitigen Blattnekrosen.
Der Vektor:
Myzus persicae alias grüne Pfirsichblattlaus
Die wichtigsten Blattläuse als Vektoren von Vergilbung sind die Grüne Pfirsichblattlaus (Myzus persicae) und die Schwarze Bohnenlaus (Aphis fabae). Aber auch einige andere kleinere Blattläuse gelten als Vektoren (Myzus ascalonicus etc.). Virusreservoire können Unkraut (Gänsefuß, Vogelmiere, Ehrenpreis etc.), Spinat oder Rübenköpfe bzw. ungeerntete Rüben sein. Die Schwere des Befalls hängt von der Vektorblattlaus-Population und den vorhandenen Virusreservoirs in der Nähe der Rübenfelder ab. Das Risiko eines frühen und ausgedehnten Befalls ist höher, wenn die klimatischen Bedingungen für die Vermehrung von Blattläusen (milder Herbst und Winter) günstig sind und eine große Anfangspopulation im Frühjahr ermöglichen. Ein trockener, warmer Frühling begünstigt dann eine rasche Entwicklung der Kolonien.
Aufnahme und Verbreitung eines Virus durch die Blattlaus Myzus persicae
Die Mechanismen der Virusaufnahme und -zirkulation durch Vektorinsekten sind für die Virusübertragung von großer Bedeutung. Sie unterscheiden sich jedoch je nach Virus.
Virusaufnahme
Da das Virus nicht an die Nachkommen der Blattlaus übertragen wird, müssen diese eine Phase der Virusaufnahme durchlaufen.
Bei Poleroviren nimmt die Blattlaus im persistenten Ausbreitungsmodus Saft von einer infizierten Pflanze auf, woraufhin die Viruspartikel im Verdauungstrakt zirkulieren. Einige Partikel werden bei der Verdauung abgebaut oder im Honigtau ausgeschieden, andere durchdringen die Darmwand und sammeln sich im Körper der Blattlaus an.
Die Blattlaus wird dadurch bis zu ihrem Tod zum Virusträger.
Bei Closteroviren dauert die Phase der Virusaufnahme im semi-persistenten Ausbreitungsmodus etwa 24 Stunden. Das Virus kann für ca. 48 Stunden in den Mundwerkzeugen des Insekts gelagert werden.
Es kann weiter übertragen werden, sobald es aufgenommen wurde, geht jedoch mit der Häutung der Blattlaus verloren.
Übertragung auf die gesunde Pflanze
Wenn eine Blattlaus Vektor von Viruspartikeln ist, kann sie das Virus auf die Pflanzen übertragen, von denen sie sich ernährt. Mit Hilfe ihres Stachels hat die Blattlaus Zugang zu den verschiedenen Geweben der Pflanze. Das Virus kann vom Speichel zum Saft und damit von seinem Vektor zur Pflanze gelangen (Infektion des Wirtes). Dabei ist zu beachten, dass Poleroviren nur Phloemgefäße in den Blättern infizieren, während Closteroviren das gesamte Blatt infizieren können.
Sobald eine Pflanze infiziert ist, ist es zu spät, und die Infektion breitet sich auf die gesamte Pflanze aus.
Entwicklungszyklus von Myzus persicae
- Die Eier werden im Spätherbst auf die Knospen von Pfirsichbäumen und verschiedener Prunus-Arten (z.B. Schlehen, Vogelkirsche) abgelegt, den primären Wirtspflanzen.
- Aus diesen Eiern schlüpfen im April die sog. Stammütter, die jeweils etwa vierzig Larven produzieren. Diese wandern dann zu ihrem sekundären Wirt: Kreuzblütler (z.B. Raps) und verschiedene andere Pflanzen, darunter wirtschaftlich wichtige Kulturen wie Spinat, Tomaten, Kartoffeln, Mais, Getreide und Zuckerrüben.
- In gemäßigten Klimazonen können Larven und erwachsene Läuse im Winter auf ihren Sekundärwirten überdauern. Futter- und Zuckerrübenmieten, aber auch Rübenköpfe bieten eine gute Überwinterungsmöglichkeit.
- Drei oder vier Generationen von Läusen, geflügelt oder flügellos, folgen aufeinander und können sich bereits ab Anfang Mai auf den kleinen Rüben befinden.
Risikoperiode
Dann tauchen ab Anfang September wieder geflügelte und getrennt geschlechtliche erwachsene Tiere auf. Geflügelte Männchen können dann an Rüben beobachtet werden.
Die Risikoperiode entspricht der Flugdauer der Läuse und ihrer Überschneidung mit den empfindlichen Stadien der Rüben. Die Rübe ist besonders empfindlich ab dem 2-Blatt-Stadium bis zu zum Reihenschluss. Ein späterer Befall wirkt sich nicht mehr besonders ertragsschädigend aus.
Die Stadien des Befalls im Feld
Flug von Blattläusen (Myzus persicae) auf Rübenfelder ab dem 2-Blatt-Stadium.
Primärinfektion: Ankunft geflügelter Blattläuse, von denen einige Virusträger sind (rot) und die Pflanzen befallen.
Sekundärausbreitung: Diese erfolgt durch junge meist flügellose Blattläuse, die benachbarte Rübenpflanzen besiedeln und mit Viren infizieren. Dadurch kommt es zu der typischen nesterweisen Vergilbung.
Welche Saatgutbehandlungen ab 2019?
Die bisherigen Aussattungen Poncho Beta + und Cruiser Force Boten einen doppelten Vorteil:
- Die Bekämpfung von Blattläusen und damit der virösen Vergilbung.
- Die Bekämpfung unterirdischer Schädlinge.
Durch das Verbot der Neonikotinoide, ist eine Kontrolle der Blattläuse durch eine Beizung des Saatgutes nicht mehr möglich.
Als Beizmittel ist nur noch Tefluthrin erlaubt, welches zur Bekämpfung unterirdisch auftretender Schädlinge eingesetzt wird.
Die Verwendung von Saatgut, das mit Force 20CS (Tefluthrin) behandelt wurde, wird daher dringend empfohlen, insbesondere aufgrund der Wirkung auf Drahtwürmer, Collembolen und Moosknopfkäfer. Diese Schädlinge sind u.a. verantwortlich für Fraßschäden am Hypokotyl und an den Wurzeln. Pflanzenausfälle und Ertragsverluste sind die Folge.
Aussaat 2019?
Ab der Aussaat 2019 bietet SESVanderHave mit Force 20CS nur noch eine Beizausstattung an.
Dadurch gibt es nur noch einen unterirdischen Schutz gegen Bodenschädlinge. Der Schutz gegen oberirdisch auftretende Schädlinge, vor allem Blattläuse, muss über die Spritzung von Insektiziden erfolgen.
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