Ernteschätzung: Die Witterungskapriolen prägen die Kartoffelernte 2023

Wie groß ist die Kartoffelernte und welche Qualitäten stehen dem Markt zur Verfügung? Gerade für den Speisekartoffelmarkt sind die Antworten auf diese Fragen alljährlich preisbestimmend. Die Markteinschätzung von Fachleuten bildet die Grundlage für die Entscheidung der Kartoffelbetriebe, welcher Anteil der Ware gleich verkauft oder eingelagert wird. Bei Industrie- und Verarbeitungskartoffeln ist dies aufgrund der vertraglichen Absatzbindung eher eine Entscheidung auf Basis der Lagerfähigkeit der geernteten Kartoffeln.

Bundesweit sichere Einschätzung der Kartoffelernte 2023 ist noch nicht möglich

Doch eine einfache und bundesweit einheitliche Einschätzung der Kartoffelerntemenge und des zu erwartenden Marktverlaufs ist 2023 aufgrund der Wetterkapriolen nicht nur schwierig, die bisher veröffentlichten Zahlen sind wie schon bei der offiziellen Ernteschätzung der Getreideernte sogar umstritten. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) meldete am 21.9.: „Die Kartoffelernte 2023 fällt laut erster Auswertung gut aus. Mit 10,9 Mio. Tonnen Kartoffeln ernteten die deutschen Landwirtinnen und Landwirte knapp zwei Prozent mehr als im Vorjahr und etwa ein Prozent mehr als im mehrjährigen Durchschnitt.“

Hauptkartoffelernte zwei Wochen später als in normalen Jahren

Das Problem: Die Haupternte 2023 war auf vielen Standorten deutlich später gestartet und die Einschätzung des BMEL beruhte auf einer Auswertung von erst 36 % der rund 700 vorgesehenen Probeflächen. Die Ministeriums-Einschätzung zur erwarteten Erntemenge blieb deshalb auch nicht unwidersprochen. Der Präsident des Deutschen Kartoffelhandelsverbandes (DKHV) Thomas Herkenrath, stellte einige Tage nach der Bekanntgabe der offiziellen Ernteschätzung fest: „Es ist noch zu früh, um zu einer endgültigen Beurteilung der Gesamtsituation zu gelangen, da noch viele Flächen gerodet werden müssen.“ 

Welche Mengen letztendlich für die Vermarktung zur Verfügung stehen würden, hänge laut Herkenrath von der Qualität und Stabilität der Lagerbestände ab. Und neben der mancherorts schwierigen Erntesituation bereiteten die Qualitäten sowohl den Landwirten als auch dem Kartoffelhandel in diesen Wochen teilweise erhebliche Sorgen.

Kartoffeln wurden 2023 mehrere Wochen später als sonst ausgepflanzt

Dabei hatte das Bundesministerium die Entwicklung im Jahresverlauf korrekt beschrieben: „So konnten die Knollen witterungsbedingt nur verzögert gepflanzt werden und wuchsen durch das kalte und nasse Frühjahr auch langsamer. Im Sommer trockneten die Dämme dann zunächst aus, bis der viele Regen im Juli und August zu stärkerem Schädlingsdruck führte.“ Das Fazit lautete: „Witterungsbedingt ist aber davon auszugehen, dass die Qualitäten regional sehr unterschiedlich sein werden.“ 

Der Bundesverband der Stärkekartoffelerzeuger (BVS) bestätigte diese Einschätzung, der Witterungsverlauf während der Hauptvegetationszeit habe die Kartoffelanbauer herausgefordert. Ein kühl-nasses Frühjahr sorgte für eine um mehrere Wochen verspätete Auspflanzung mit nicht immer optimalen Bodenbedingungen. Dann folgte Hitze und Trockenheit, gefolgt von wochenlangen Regenphase mit hohen Niederschlägen und örtlichen Starkregen- und Hagelereignissen. Der Verband wies zudem darauf hin, dass der Stärkekartoffelanbau in Deutschland deutlich zurückgegangen sei auf die nunmehr kleinste Fläche seit 2017. Auch der europäische Anbau sei parallel zurückgegangen, sogar noch stärker als in Deutschland. Der Markt sei dadurch voraussichtlich eher knapp versorgt.

Kartoffelhandel und Bauernverbände erwarten unterdurchschnittliche Ernte

In der Branche selbst mehrten sich im September warnende Stimmen. So hieß es, dass die Erträge regional unterschiedlich und insgesamt maximal mittelmäßig ausfallen könnten. Aufgrund des schwierigen Witterungsverlaufs mit vielen Regenfällen im August kam es auf manchen Standorten zu stärkerem Auftreten von Kraut- und Knollenfäule. Die erneute Hitzeperiode im September und die dann folgende kühlere, teilweise aber auch wieder instabil regnerische Witterung könnten ebenso die Qualitäten regional geschwächt haben. In der Praxis heißt das, dass bei kritischen Partien und vor allem, wenn diese auch noch eingelagert werden, mit einem deutlich höheren Sortierabfall zu rechnen ist. Dann hätten die Kartoffelroder zwar eine mehr oder weniger durchschnittliche Ernte aus der Erde geholt, die tatsächlich nutzbare Kartoffelernte könnte aber im Verhältnis zu normalen Jahren spürbar kleiner sein.

Kritische Erntepartien sofort trocknen und im Lager unter Kontrolle behalten

Sowohl Landwirte als auch der Kartoffelhandel warnten vor dem sorglosen Umgang mit kritischen Partien. Ein sofortiges Trocknen, eine separate Lagerung und ein spezielles Lagermanagement seien unabdingbar, wenn die Partien nicht sofort verkauft werden könnten. Entscheidend ist es dabei, die Lagertemperatur konstant zu halten. Gerade bei erneuten Witterungswechseln mit einem Temperaturanstieg sollte mit Hilfe der maschinellen Kühlung gleich gegengesteuert werden.

Witterung bremste zunächst den Knollenansatz – und sorgte später für größere Kartoffeln

In der Lüneburger Heide stellte der Heidekartoffelverbund fest, dass die Kartoffelansätze in diesem Jahr geringer, dafür dann letztlich zwar weniger, aber größere Kartoffeln geerntet wurden. Man erwarte unter dem Strich eine leicht unterdurchschnittliche Ernte. Ähnliche Einschätzungen kamen auch aus Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz sowie dem süddeutschen Raum. Aus keiner Region Deutschlands wurden deutlich überdurchschnittliche Erträge gemeldet. Damit steht die offizielle Ernteschätzung des BMEL in der Branche isoliert dar.

Europaweit werden Schwierigkeiten im Winterlager erwartet

Auch der Blick über die Landesgrenzen bestätigt die Einschätzung, dass das Kartoffeljahr 2023 eine Herausforderung für die lagernden Betriebe werden wird. Die Organisation Nordwesteuropäischer Kartoffelanbauer (NEPG) berichtete, dass die Kraut- und Knollenfäule in diesem Jahr großen Einfluss auf den Kartoffelanbau in Deutschland, Frankreich, Belgien und den Niederlanden gehabt habe – was angesichts des Witterungsverlaufs ab Ende Juni auch keinen Branchenkenner überrascht. Umso spannender wird die Frage, wie groß die im neuen Jahr noch mit guten Qualitäten verfügbaren Mengen insbesondere im Speise- und Verarbeitungssektor sein werden. Die laufende Saison 2023/2024 könnte angesichts dieser Herausforderungen ein erfolgreiches Jahr für erfahrene Kartoffelprofis mit gut ausgestattetem Lager und einem guten Gefühl für das Lagermanagement werden.

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Das Wichtigste in Kürze:

✅ Welche Maßnahmen sollten nach der Ernte von problematischen und eingeregneten Kartoffelpartien getroffen werden?

Können Kartoffelpartien nur unter nassen Bedingungen oder mit Knollenfäuleproblemen geerntet werden, dann sollten diese Partien separat gelagert, sofort getrocknet und zügig sortiert werden.

✅ Mit welchen Maßnahmen können Kartoffeln im Winter länger gelagert werden?

Kartoffeln sollten in ein sauberes Lager eingebracht, sofort getrocknet und stetig kontrolliert werden. Bei Witterungswechsel ist es wichtig, die Lagertemperatur durch Kühlung konstant zu halten und bei Bedarf Keimhemmer einzusetzen.


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Stand: 09.10.2023