Die Getreideernte 2023 ist abgeschlossen, das Fazit ist in vielen Regionen einhellig: Eine so schwierige Getreideernte mit derart vielen Wetterkapriolen und schließlich einer länger als die siebenwöchige „Siebenschläfer-Phase“ anhaltenden Regensaison während der gesamten Erntezeit hinweg hat es wohl seit langen Zeiten in Deutschland nicht gegeben. Nach den Hitzeschäden im Mai/Juni machte der Regen die Ernte zu einem Kraftakt. Die Hoffnungen auf eine gute Ernte legten sich wie das Getreide nieder.
Deshalb verwundert es viele Landwirte, dass die deutsche Getreideernte 2023 laut BMEL-Ernteermittlung insgesamt nur „leicht unterdurchschnittlich“ gewesen sein soll. Der Deutsche Bauernverband stellte schon eine Woche zuvor fest: „Die deutschen Bauern dürften die schlechteste Ernte seit dem Dürrejahr 2018 einfahren.“ Bezogen auf die Weizenernte könnte die Einschätzung im endgültigen Erntebericht, der erst in einigen Monaten vorliegen wird, möglicherweise noch deutlich drastischer ausfallen. Der reine Blick auf die Quantität der Erntemenge steht aber auf jeden Fall für viele Landwirte im Gegensatz zu der enttäuschenden Qualität der Ernte.
Stimmung lag in manchen Regionen wie das Lagergetreide am Boden
Ein bezeichnendes Fazit der Stimmung kam bereits Mitte August aus Niedersachsen: „Für uns Landwirte liegt wie die Ähren auch die Stimmung am Boden. Die Folgen dieses sogenannten Lagers zehren zum Teil den gesamten Gewinn des Anbaus auf“, schildert Karl-Friedrich Meyer, Vorsitzender des Pflanzenausschusses im Landesbauernverband, die Situation der betroffenen Landwirte. Und stellte fest: „Wo Lagerschäden flächig auftreten, wird das Getreide sogar teilweise gemulcht.“
Gesamternte hinsichtlich der Menge nur „leicht unterdurchschnittlich“?
Das Problem: Obwohl die Mähdrescher in den Problemregionen sich noch durch das oft schon von Durchwuchs gezeichnete Lagergetreide kämpften, mussten sich die Marktberichterstatter für das Bundeslandwirtschaftsministeriums an den Kalender halten. Deren offizielles Fazit lautete am 28. August: „Bei Getreide (ohne Körnermais) wird 2023 insgesamt eine leicht unterdurchschnittliche Ernte erwartet. Sie liegt mit 38 Millionen Tonnen um etwa vier Prozent unter dem Vorjahresmittelwert. Im Vergleich zum Fünfjahresmittelwert fällt die Ernte damit um rund zwei Prozent niedriger aus. Wo es starke Niederschläge zur Erntezeit gab, litt vor allem beim Weizen die Qualität.“
Früher Berichtszeitpunkt in einer späten Ernte
Das BMEL weist allerdings darauf hin, „dass in der amtlichen Ertragsermittlung noch nicht alle witterungsbedingten Einflüsse aus diesem Sommer berücksichtigt sind.“ Vor allem beim Weizen hätten zum Zeitpunkt der Ernteschätzung erst vergleichsweise wenig Druschergebnisse vorgelegen. Deshalb könne es noch zu größeren Abweichungen kommen, betont das Agrarressort.
Das offizielle Ernteergebnis für die Getreideernte vom 28. August 2023
Die offiziellen Zahlen aus dem BMEL: „Die Getreideernte insgesamt (ohne Körnermais) wird sich voraussichtlich auf rund 38 Millionen Tonnen belaufen und fällt damit in diesem Jahr um 4,1 Prozent kleiner als im Vorjahr aus. Gegenüber dem sechsjährigen Durchschnitt ergibt sich eine Abnahme um 2,1 Prozent. Nur in den drei Bundesländern Nordrhein-Westfalen (+7,8 Prozent), Sachsen-Anhalt (+1,8 Prozent), und Sachsen (+1,1 Prozent) wurde der mehrjährige Vergleich übertroffen. Den stärksten Rückgang haben das Saarland (-9,9 Prozent), Brandenburg (-9,6 Prozent) und Hessen (-7,9 Prozent) zu verbuchen.“
Weizenernte bereits jetzt um 5,2 % unter mehrjährigem Durchschnitt geschätzt
„Die wichtigste Getreidekultur ist in Deutschland nach wie vor Winterweizen, mit einem Anteil von 46 Prozent an der gesamten Getreidefläche. Die Anbaufläche verringerte sich gegenüber dem Vorjahr leicht um 2,7 Prozent auf 2,81 Millionen Hektar. Im Durchschnitt liegt der Hektarertrag bei 73,9 Dezitonnen und damit 3,4 Prozent unter dem Vorjahr“, so das BMEL. Die Erntemenge an Winterweizen erreiche nach der Schätzung vom 28. August voraussichtlich 20,8 Millionen Tonnen. Im Vergleich zum Vorjahr wäre das eine Abnahme um 6,0 Prozent. Das Ergebnis bliebe um 5,2 Prozent hinter dem mehrjährigen Durchschnitt zurück.
Wie niedrig wird die deutsche Weizenernte 2023 wirklich ausfallen?
Berücksichtigt man den für den Ernte- und Kenntnisstand sehr frühen Schätzungszeitpunkt, dann besteht das Risiko, dass bei der Ernteermittlung „Getreide“ besonders das Ergebnis der deutschen Weizenernte 2023 noch deutlich korrigiert werden muss. Damit droht in Deutschland eine der niedrigsten Weizenernten der letzten 20 Jahre. Denn die jetzt gemeldeten 20.765 Mio. Tonnen liegen nur 2,5 Prozent über der schlechten 2018er Ernte und in etwa auf dem Niveau der zuvor niedrigsten Ernte aus dem Dürrejahr 2007. Nur 2003 wurden mit 19.225 Mio. Tonnen rund acht Prozent weniger Weizen als derzeit für 2023 geschätzt eingebracht.
Deutliche Mengen- und Qualitätsverluste führen zu Erlöseinbußen
Als „echte Zitterpartie“ bezeichnete Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes, die diesjährige Ernte und richtete den Blick auf die Folgen: „Eine ständig durch Niederschläge unterbrochene Ernte stellen Deutschlands Bauern in diesem Jahr vor gewaltige Herausforderungen. Durch die lange Regenperiode müssen wir deutliche Mengen- und Qualitätsverluste hinnehmen.“ Bereits zu diesem Zeitpunkt am 22. August vermerkte der DBV laut topagrar online: „Nach wie vor wird so gut wie nur noch Futtergetreide eingefahren.“
Trockenheit senkte das Ertragspotenzial – Regen schädigte die Qualität
Diese Einschätzung unterstrich auch der DRV-Getreidemarktexperte Guido Seedler. Der Witterungsverlauf habe zu doppelten Verlusten in der Landwirtschaft geführt. „Durch die Trockenheit im Mai und Juni sank das Ertragspotenzial der Bestände und das regnerische Wetter der vergangenen Wochen lies die Qualitäten deutlich sinken.“ Oftmals so deutlich, dass diese Partien in viel größerem Umfang als in normalen Jahren nicht mehr für den menschlichen Verzehr geeignet sind. „Diese Getreidemengen werden je nach Qualität über den Tiermagen veredelt oder für die Energiegewinnung in Biogasanlagen genutzt“, machte Seedler deutlich.
Niedersachsen: 90 Prozent des geplanten Backweizens wohl nur als Futterweizen zu ernten
Besonders in Niedersachsen hat der Regen die Qualitäten ruiniert. Der Vorsitzender des Pflanzenausschusses im Landvolk Niedersachsen, Karl-Friedrich Meyer, befürchtete bereits am 17. August, dass in Niedersachsen bis zu 90 Prozent des Getreides, das als Backware ausgesät wurde, nur als Futtergetreide geerntet werde, weil keine Backqualität mehr erreicht werden könne. „Die meisten Bauern sind froh, wenn sie es überhaupt vom Feld kriegen und nicht in die Biogasanlage fahren müssen“, zeigt der Vorsitzende auf. Das sei wirtschaftlich nicht attraktiv: „Weizen für Biogas erzielt nur zehn bis zwölf Euro pro Dezitonne, was wirtschaftlich sehr frustrierend ist. Im Verhältnis wird aus Niedersachsen in diesem Jahr sehr wenig Getreide kommen, das für die humane Ernährung geeignet ist“, so Meyer abschließend.
DBV fordert mehr Möglichkeiten für die Anpassung an klimatische Herausforderungen
Was können die deutschen Landwirte tun, um sich auf solche außergewöhnlichen Jahre besser einzustellen? Bauernpräsident Rukwied beantwortete diese Frage mit klaren Forderungen: „Dafür brauchen wir verschiedene Möglichkeiten zur Anpassung an die veränderten klimatischen Bedingungen. Dazu gehören unter anderem die Züchtung resilienterer Pflanzensorten, eine breite Palette an Wirkstoffen für den Pflanzenschutz, wassersparende und konservierende Bodenbearbeitung und die gezielte Förderung einer Bewässerungsinfrastruktur.“
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