Agritechnica-Innovationen müssen auch kosteneffizient sein

Eine Halbzeitbilanz der Agritechnica 2023 von Dirk Gieschen, Agrarjournalist, Tarmstedt

Mehr als 400.000 Fachbesucher aus aller Welt haben sich auf den Weg zur Agritechnica 2023 gemacht. Das Interesse ist damit genauso enorm wie vor der Pandemie – auch wenn die Vorzeichen in diesem Jahr ganz andere waren. „Messebesuch in bewegten Zeiten“ titelte die Deutsche Landwirtschaftsgesellschaft e.V. (DLG) in einer Pressemeldung zur Eröffnung der Messe. DLG-Hauptgeschäftsführer Dr. Lothar Hövelmann stellte dabei ganz klar heraus: „Die Agrarbranche bewältigt einen Berg an Herausforderungen.“

Vielfältige Herausforderungen und zusätzlich wachsender Mangel an Arbeitskräften

„Russlands Krieg verändert die Grundannahmen, der europäische Green Deal verknappt Betriebsmittel, die Zinspolitik verlangt eine vorausschauende Investitionsplanung und der Klimawandel erfordert resiliente Produktionsverfahren. Das kann man nur mit leistungsstarken Innovationen stemmen“, so der Hauptgeschäftsführer weiter. Hinzu komme immer mehr die Frage der Verfügbarkeit von Arbeitskräften. Dieser Mangel führt laut Dr. Hövelmann zu einem wachsenden Druck auf die landwirtschaftlichen Betriebe, Arbeitsgänge immer mehr zu automatisieren.

Viele Neuheiten – aber nur wenige Innovationen ausgezeichnet

Die neuesten Innovationen und ihr aktuelles Programm für die moderne Landwirtschaft zeigten mehr als 2.800 Aussteller aus 52 Ländern. Im Verhältnis dazu erscheinen die 251 zum Innovation Award angemeldeten Neuheiten fast wenig – und nur 18 Medaillen auf der größten Landtechnikmesse der Welt sind schon überraschend wenig. Tatsächlich hatten die Landtechnikjournalisten im Vorfeld der Messe noch mehr echte Innovationen erwartet. Wobei die Agrarjournalisten vor Ort dann doch eine regelrechte Flut an Neuheiten auf den Messeständen in Augenschein nehmen konnten. 

Goldmedaille für neues Hochleistungs-Mähdrusch-Konzept

Verliehen wurden schließlich eine Goldmedaille und 17 Silbermedaillen. Gold erhielt New Holland für den neuen Doppel-Axialrotor-Mähdrescher „CR“, der eine deutliche Steigerung der technisch möglichen Druschleistung, insbesondere durch eine Verbreiterung des Druschkanals sowie ein neues und effizienteres Reinigungssystem und unter dem Strich einen „Nullverlust“-Drusch bieten soll. Die strahlenden Sieger präsentierten ihren Mähdrescher stolz in goldener Sonderlackierung als Mittelpunkt auf ihrem Stand – ein echter Hingucker.

Silbermedaillen für alternative Traktorenantriebe

Die mit einer Silbermedaille ausgezeichneten Innovationen sollten entsprechend des diesjährigen Agritechnica-Leitthemas „Green Productivity“ dazu beitragen, Produktivität mit Ressourcen- und Klimaschutz global in Einklang zu bringen. Umgesetzt wurde dies beispielsweise durch die Entwicklung von Hybrid-Traktoren wie dem Steyr Hybrid CVT, dem vollelektrischen und gleichzeitig automatisierten „Utility Traktor“ von New Holland und dem „Methane Power“-Traktor mit LNG-Antrieb, der ebenfalls von New Holland vorgestellt wurde.

Silbermedaille für Detaillösungen an Landmaschinen

Die meisten weiteren Silbermedaillen wurden dagegen für aktuelle landtechnische Neuheiten mit Lösungen, die den Praktiker sofort weiterhelfen können, verliehen. Beispiele dafür: Der teleskopierbare Frontlader (Stoll), eine multidimensionale 3-Punkt-Kraftheber-Regelung für Traktoren (Claas), die „Curve Control“ für das exakte Düngerstreuen bei Kurvenfahrten (Amazone), eine Schleifeinrichtung am Feldhäcksler ohne manuelles Nachstellen (Krone), das „Eco-Duo-Vario“-System für die exaktere Verteilung der Gülle über die gesamte Gestängebreite (Zunhammer), eine automatische Aufbereitereinstellung (Fendt mit ConGra und Fritzmeier) und die digitale Werkzeuganalyse „iQblue“ zur Überwachung des Werkzeugverschleißes am Grubber (Lemken). 

Vorteile von Striegel und Mulcher in einem Gerät kombiniert

Aber auch neue Landmaschinen und Geräte wurden ausgezeichnet, so das Bodenbearbeitungsgerät „GrindStar“ (Saphir), welches die Vorteile von Striegel und Mulcher verbinden soll. Der GrindStar setzt an einer der aktuell größten Herausforderungen der Bodenbearbeitung an, nämlich der ultraflachen Bearbeitung, um das Bodenwasser möglichst weitgehend zu konservieren. Dabei soll der Zugkraftbedarf im Vergleich mit anderen Verfahren sehr günstig wie beim Striegel liegen, obwohl die Maschine hinsichtlich der Zerkleinerung der Erntereste Mulcherqualität bieten soll. 

Landtechnik muss Produktivität steigern und gleichzeitig Ressourcen schonen 

Klar wurde auf der Agritechnica 2023 auch, dass aus Sicht der Landtechnik und auch der Landwirte kein Weg an einer weiteren Steigerung der Produktivität vorbeiführt. „Green productivity“ wird dabei sicherlich unterschiedlich interpretiert. Viele Betriebsleiter verdeutlichten die Kundensicht und machten auf der Messe ihren Lieferanten klar, dass Maschinen auch bezahlbar bleiben müssen. „Effizienz heißt für mich, die Kosten pro Einheit im Visier zu haben“, brachte es ein Praktiker vor Ort auf den Punkt. 

Spannungsfeld zwischen Ernährungssicherung und Wirtschaftlichkeit der Landwirtschaft

DLG-Präsident Hubertus Paetow lenkte in seiner Eröffnungsfeier den Blick auf das Spannungsfeld zwischen wachsenden Ansprüchen an die grüne Branche bei gleichzeitig wachsender Kritik an der Landwirtschaft. Er schrieb Politikern wie auch der Gesellschaft ins Stammbuch: „Landwirtschaft und die Agrartechnikbranche stehen in einem Spannungsfeld. Lange Zeit war das einzige Ziel für uns Landwirte, eine wachsende Bevölkerung mit ausreichend Lebensmitteln zu versorgen. Heute stellen die Märkte nicht nur höchste Anforderungen an Menge, Preis und Qualität des Endprodukts, sondern auch an die Nachhaltigkeit der gesamten Prozesskette.“

Technischer Fortschritt steigert auch die Ressourcenschonung

Landtechnik und Landwirtschaft hätten aber durchaus schon geliefert: „Bereits in der Vergangenheit war es der technische und fachliche Fortschritt, der neben der Steigerung der Produktivität meist auch die Ressourcenschonung verbessert hat, denkt man beispielsweise an eine reduzierte Bodenbearbeitung oder die digitalen Systeme zum Teilflächenmanagement“, unterstrich der DLG-Präsident die Bedeutung technischer Innovationen als Problemlöser.

Zukunftsbeitrag der Landtechnik: „Auf dem Acker aus weniger mehr machen“

Dr. Tobias Ehrhard, Geschäftsführer des Landtechnik-Herstellerverbandes VDMA, brach in der Eröffnungspressekonferenz eine Lanze für den möglichen Zukunftsbeitrag der Landtechnik: “Ohne Technik sind die bald 10 Milliarden Menschen nicht zu ernähren.“ Die hierfür nötigen Lösungen müssten entsprechend des Agritechnica-Mottos „Green productivity“ den Fortschritt klimafreundlich realisieren: „Digitale Vernetzung und klimafreundliche Antriebskonzepte bilden das Fundament für die Landwirtschaft von morgen. Punktgenau zum Ertrag zu kommen und aus weniger mehr zu machen, das ist die Herausforderung für den Ackerbau von morgen.“

Batterieelektrische Antriebe in der Landwirtschaft eher hofnah sinnvoll

Der VDMA-Geschäftsführer relativierte auch den Glauben der Politik an die Elektrifizierung aller Fahrzeuge als Allheilmittel: „In der Antriebsfrage gibt es kein entweder oder, sondern nur ein sowohl als auch.“ Aus heutiger Sicht sei eben nicht jede Landmaschine elektrisch zu betreiben. Seine konkrete Einschätzung: „Batterieelektrische Antriebe werden sich eher bis etwa 100 kW (136 PS) durchsetzen, beispielsweise bei Traktoren, die vor allem im Hofbetrieb oder auch in Sonderkulturen eingesetzt werden, weniger im schweren Ackerbau.“ Hier müssten andere alternative Antriebskonzepte gefunden werden.

Politik muss Rahmenbedingungen für alternative Kraftstoffe schaffen

Wenn man bei Antrieben schnell positive Umwelt- und Klimaeffekte im Sinne einer Dekarbonisierung der Landmaschinen- und Traktorenflotten erreichen wolle, müsse man schnell an den Rahmenbedingungen arbeiten, forderte Dr. Erhard: „Die Politik muss jetzt die Rahmenbedingungen dafür setzen, dass biogene und synthetische Kraftstoffe schnellstmöglich in der landwirtschaftlichen Praxis ankommen.“ Klimafreundliche flüssige und gasförmige Kraftstoffe sind nach Angaben des Branchenverbandes die effektivste Lösung für den Landtechnikeinsatz.

Sofort verfügbare Lösung: HVO-Kraftstoffe mit bis zu 90 Prozent CO2-Reduktion

Als vielversprechende und direkt nutzbare Option stellte der VDMA-Geschäftsführer hydrierte Pflanzenöle aus Reststoffen heraus: „Mit den sogenannten HVO-Kraftstoffen könnten schon heute bis zu 90 Prozent der CO2-Emissionen im Vergleich zu fossilen Treibstoffen eingespart werden. Das hat eine starke Wirkung, gerade auch für die Bestandsflotte“, schloss Dr. Erhard seine Forderung ab.

Fazit zum Agritechnica-Messe-Motto „Green Productivity“: Kosten im Blick

Mein klares Agritechnica-Fazit zum Messe-Motto „Green Productivity“: Die Landtechnik hat schon vieles geliefert, die Politik muss noch einiges liefern, die Landwirte wollen gern mit neuer Landtechnik auch noch besser liefern – aber es muss sich für die landwirtschaftlichen Betriebe auch lohnen. Landtechnische Innovationen müssen auch kosteneffizient sein, sonst werden die Landwirte sie nicht in die Praxis einführen.

Beitrag von Dirk Gieschen, Agrarjournalist, Tarmstedt

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Das Wichtigste in Kürze:

✅ Nach welchen Kriterien werden Maissorten den Mais-Reifegruppen zugeordnet?

Das weltweite Maissortiment wird durch die dreistellige Zahl in Reifegruppen von 100 bis 900 unterteilt. Je kleiner die Reifezahl, umso früher reift die Sorte ab. Höhere Reifezahlen bedeuten auch, dass auch die tägliche Durchschnittstemperatur in der Wuchssaison steigt. Jeder Maissorte wird bei der Zulassung durch das Bundessortenamt eine Reifezahl zugeteilt. Diese ermöglicht damit den schnellen Vergleich bezüglich der Temperaturansprüche und des Reifezeitpunktes einer Maissorte.

✅ Was sind wichtige Eigenschaften für eine Silomaissorte?

Silomais sollte neben den nutzungsübergreifenden Eigenschaften wie zügige Jugendentwicklung, Trockenheitstoleranz und gute Standfestigkeit eine hohe Energiedichte in der Trockenmasse, einen hohen Anteil ausgereifter Stärke, eine hohe Verdaulichkeit der Restpflanze, eine sichere und gesunde Abreife sowie optimale Silierfähigkeiten bieten.

✅ Welche Kriterien sind für die Sortenwahl von Biogasmais wichtig?

Mais für Biogasanlagen muss in erster Linie einen hohen Trockenmasseertrag liefern. Doch auch der Stärkegehalt, welcher beispielsweise bei Kolbenbetonten Sorte höher ist, hat einen Einfluss auf die Methanausbeute pro kg Trockensubstanz. Das Ziel von Biogasanlagenbetreibern ist es eine möglichst hohe Biogasausbeute pro Tonne Substrat zu erzeugen. Gleichzeitig wird aber auch eine ausreichende Substratmenge benötigt. Kolbenbetonte Maissorten eignen sich nur, wenn diese ebenfalls einen hohen Masseertrag liefern können.


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Stand: 16.11.2023